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Computergenerierte Texte: Klaut mir ChatGPT bald den Job?

Computerprogramme, die Texte verfassen? Ja, die gibt es – und sie machen gerade ganz schön von sich reden. Denn die Ergebnisse, die auf künstlicher Intelligenz basierte Programme wie ChatGPT liefern, sind beeindruckend. Da drängt sich die Frage auf: Werden wir Texter*innen bald arbeitslos?

Die Kreativbranche ist in Aufruhr, Universitäten und Schulen ebenso. Denn mit der neusten KI-Sensation ChatGPT lassen sich innert Sekunden ganze Abhandlungen, Kolumnen oder Seminararbeiten verfassen. Neu ist das Phänomen nicht. Bereits letztes Jahr versetzten uns von künstlicher Intelligenz erstellte Bilder ins Staunen. Aus einer simplen Textanweisung haben Programme wie DALL-E oder Midjourney Bilder kreiert, die so gut sind, dass man oft nicht mehr sagen kann, ob sie von einem Menschen oder einer KI stammen.

Die weltweiten Reaktionen auf die Bilder waren gemischt. Manche beschworen eine baldige Revolution in der Bildproduktion, andere sahen sich in ihrer Arbeit bedroht. Die meisten, darunter auch ich, hatten einfach nur ihren Spass mit dem neuen Tool. Bis die KI vor einigen Wochen nachgelegt hat: Sie erobert jetzt auch die Sprachwelt. Ob ich als Texter Angst habe? Noch nicht. Sehen wir uns das erst einmal genauer an.

ChatGPT basiert auf der Software GPT-3, die eine ganze Reihe von KI-Programmen hervorgebracht hat, alle mit eigenen Spezialisierungen. Für diesen Blogbeitrag habe ich das Programm Neuroflash ausprobiert, das eine für Texter besonders gut geeignete Nutzeroberfläche hat und auf deutsche Texte spezialisiert ist. Funktionieren tut Neuroflash im Grunde genau wie die KI-Programme für Bilder: Man beschreibt in einem Textfeld, was man von der KI möchte, heraus kommen mehrere fixfertige Textvorschläge. Je besser die Anweisung, desto besser das Resultat. Zum Beispiel können Sie der KI helfen, indem Sie die gewünschte Textsorte, wie «Blogartikel», «E-Mail-Text» oder «Tweet», vordefinieren.

Testen wir das!

Lassen wir doch direkt diesen Blogartikel von der KI generieren. Nicht, dass ich mir unnötig Arbeit mache.

Vorneweg: Ich habe das Resultat nicht verwendet. Was sich aber nicht bestreiten lässt: Die KI ist schnell. 4500 Zeichen in 2 Minuten. Und auf den ersten Blick sieht der Text aus wie ein normaler Blogartikel. Er hat einen Titel, eine Gliederung mit drei Untertiteln und ein Fazit. Auch auf den zweiten Blick stimmt alles. Die Sprache wirkt fliessend und angemessen. Erst auf den dritten Blick bin ich beruhigt: Der Text ist nicht wirklich brauchbar.

Hier ein Ausschnitt aus dem generierten Text, in dem die KI selbst über ihre Probleme schreibt:

«Es ist unbestreitbar, dass KI-Texter eine effizientere und schnellere Art und Weise sind, Texte zu erstellen. Allerdings haben sie auch einige Nachteile. Einer der größten Nachteile ist, dass die Qualität bei vielen KI-Texten nicht so hoch ist wie bei manuell geschriebenen Texten. Menschen können Gefühle in ihre Texte einbringen, Dinge auf eine bestimmte Art und Weise ausdrücken und allgemein einen besseren Schreibstil erstellen.»

Hinzufügen möchte ich, dass der ganze Text voll ist von Wiederholungen und unpassenden Formulierungen. Natürlich sind das Probleme, die eine Überarbeitung beseitigen würde. Aber das wahre Problem ist, dass der Text inhaltlich viel zu oberflächlich ist. Er reiht allgemeine Information an allgemeine Information, ohne inhaltliche Tiefe. Eine Überarbeitung lohnt sich also gar nicht.
Trotzdem würde ich sagen, dass die Generierung mir geholfen hat. Sie hat mich kaum Zeit gekostet und ich habe jetzt eine erste Version des Textes vor mir. Die ist zwar nicht gut, aber bestimmte Inhalte oder Sätze kann ich übernehmen. Nicht zu unterschätzen zudem: Ich kann auf der Grundlage dieser Version entscheiden, inwiefern mein Text anders sein soll. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich so die eine oder andere Schreibblockade durchbrechen lässt.

Das Potenzial ist sichtbar.

Was, wenn mir einfach noch die Übung im Umgang mit der KI fehlt? Testen wir weiter. Ich tippe die Anweisung «Die Welt ist schön» zusammen mit der Textart «Drei Sätze im Blogartikel» ein. Daraus macht das Programm:

«In unserer heutigen, schnelllebigen Zeit ist es wichtig, ab und zu innezuhalten und die Schönheit der Welt zu bewundern. Ob es die Bäume im Herbst sind, die untergehende Sonne am Strand oder einfach nur die Sterne in einer klaren Nacht – es gibt so viel Schönes zu sehen! Leider neigen wir dazu, diese Dinge oft für selbstverständlich zu halten. Doch wenn wir uns die Mühe machen, uns mit offenen Augen umzusehen, werden wir feststellen, dass die Welt wirklich ein wunderschöner Ort ist.»

Ein bisschen generisch, klar. Es sind auch mehr als drei Sätze. Aber trotzdem ganz schön, oder nicht? Und obwohl es so bekannt klingt, ist es keine Kopie. Die KI schreibt wirklich selbst. So kann man sich beispielsweise E-Mails generieren lassen. Die sind zwar immer ein wenig unpersönlich, aber brauchbar. Einfach grobe Eckdaten angeben, kurz beschreiben, welche Art von Mail es sein soll, und schon bekommt man einen kopierbereiten Text. Einmal darüber schauen lohnt sich aber nach wie vor denn…

Die KI macht ständig Fehler.

Um so einen Fehler zu provozieren, habe ich mir von Neuroflash einen Text generieren lassen, den es eigentlich noch gar nicht generieren kann, nämlich eine Aufzählung der Geschehnisse im Januar 2024. Da steht dann unter anderem:

«25. Januar 2024: Am 25. Januar tritt ein Gesetz in Kraft, mit dem die USA ihre Grenzen schliessen. Das Gesetz wurde von Präsident Trump unterzeichnet und erfordert visafreie Reisen nach Nordamerika nur noch für Menschen aus bestimmten Ländern mit geringer Gefahr für Terrorismus oder andere Bedrohungslagen.»

Das zeigt ganz gut, wie das Programm auf fehlende Informationen reagiert: Es denkt sich einfach etwas aus. Dadurch entstehen mitunter absurde Inhalte voller Fehler. (Ausser natürlich, die KI weiss tatsächlich bereits etwas über die zukünftige amerikanische Regierung? Wir werden sehen.)

Schlimmer als die offensichtlichen Fehler sind allerdings die nicht so offensichtlichen. Denn die überliest man wegen der professionellen sprachlichen Verpackung leicht. Das fühlt sich beim Lesen ein bisschen so an, als würde man einem ziemlich selbstbewussten Schwurbler zuhören. Und wenn man dann kein Experte im Thema ist, kann man Fehler gar nicht mehr erkennen.
Die KI generiert aber nicht nur, sie kann Texte auch zusammenfassen, «für Zweitklässler vereinfachen», die Tonalität ändern und vieles mehr. Dazu kann sie Texte in die Höflichkeitsform umschreiben, passive in aktive Sprache verwandeln und korrekt gendern. Das Problem ist aber auch bei diesen Funktionen: Sie kann all das nicht zuverlässig. Dadurch ist die Zeitersparnis (noch) beschränkt.

Fazit: Ich bin beruhigt.

Ganz so weit ist die künstliche Intelligenz noch nicht. Trotzdem: Sie kann genug für ein bisschen Spekulation.
Was denke ich also, wird sich für uns Texterinnen und Texter in Zukunft ändern?

  1. Dass Programme das Texten verschnellern ist nicht neu. Wir haben uns bereits daran gewöhnt, in Word mit nur einem Klick Wörter zu korrigieren oder zu vervollständigen. Ich denke, dass wir die Möglichkeiten von Programmen wie Neuroflash bald ebenfalls in unseren Workflow integrieren.
  2. Je mehr automatisiert wird, desto mehr muss kontrolliert werden. Das klingt nach einem Nullsummenspiel, spart aber netto sicher bald Zeit. Und Zeit ist Geld. Aber Qualität ist auch Geld. Und je wichtiger der Text, desto eher schreibt man ihn vielleicht doch besser selbst.
  3. Alles, was im Internet bereits tausendfach vorliegt, kann die KI gut wiedergeben. Damit verschiebt sich der Schwerpunkt unserer Arbeit darauf, Inhalte zu erstellen, über die noch nicht so oft geschrieben oder gesprochen wurde. Zum Beispiel, indem wir ein aktuelles Thema behandeln, eine ungewöhnliche Textstruktur verwenden oder uns eine eigene kleine Wortschöpfung erlauben.

In diesem Sinne: Liebe KI. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit! Sobald du so weit bist.

Übrigens: Texter*innen sind nicht die einzige Berufsgruppe, der die KI Konkurrenz macht. Lesen Sie im aktuellen Artikel der Handelszeitung, warum auch medizinisches Fachpersonal, Programmierer*innen oder Social Media Manager sich auf Veränderungen einstellen sollten.